Conversations outside the box #3: Mit Co-Design die Blackbox öffnen

Insights | 9 September, 2019

Jeremy Myerson erforscht, wie Design unter Einbeziehung von Betroffenen die Transformation weniger traumatisch, effektiver und viel nachhaltiger macht.

Im Rahmen von „Think Work Out of the Box“, unserem Buch über die Transformation von Arbeitsplätzen, hat sich Studio Banana mit Führungskräften aus verschiedenen Branchen zusammengesetzt, um ihre Gedanken zum Thema zu hören, welche Tools und welche Arbeitsumgebung den heutigen Arbeitnehmern am besten dienen können.

Jeremy Myerson ist ein wissenschaftlicher Forscher, Autor und Aktivist im Bereich nutzerzentriertem Design und Innovation. Als Direktor der WORKTECH Academy, dem globalen Wissensnetzwerk von Unwired, wurde er von der Zeitschrift Wired zu einem der 100 einflussreichsten Menschen im Bereich der digitalen Technologie in Großbritannien ernannt und gilt als führender Experte für Arbeitsplatzgestaltung und Innovation.

Hier sind einige Highlights aus unserem Gespräch darüber, warum es so wichtig ist, den Co-Design-Prozess an sich sorgfältig zu gestalten und wie der Input von Betroffenen der Schlüssel zu einer nachhaltigen Arbeitsplatztransformation ist.

Um für die Menschen zu gestalten, muss man mit ihnen gestalten.

Studio Banana- In Veröffentlichungen über Ihre Ideen beschreiben Sie einen subtilen Wechsel vom Design für die Menschen zum Design mit den Menschen. Mit dieser Veränderung ändert sich auch das Wesen des Designs selbst.

Jeremy Myerson- Über fast ein Jahrzehnt hinweg habe ich dieses Plädoyer für einen Wechsel vom Design für die Menschen zum Design mit den Menschen entwickelt. Viele Jahrzehnte lang haben Designer im Auftrag des Kunden gehandelt und Entscheidungen über die räumliche Struktur, die verwendeten Materialien usw. getroffen. Meistens basierten diese Entscheidungen auf Erkenntnissen und Forschung, aber die Designer nahmen dabei eine Art Expertenmentalität an. Diese Haltung bzw. Arbeitsweise haben eine gewisse Berechtigung. Ich finde jedoch die partizipatorische Denkweise und die Idee, Menschen einzuladen, Teil des Design-Prozesses zu sein, überzeugender. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Eingeladenen dann selbst designen. Vielmehr bedeutet es einfach, dass die Designer die “Black Box” öffnen und betroffene Menschen in den Entwicklungsprozess einbeziehen. Es erlaubt Menschen, die nicht unbedingt Designer sind, die Techniken von Designern zu nutzen, ein Mitspracherecht zu haben, wie sie ihren Arbeitsplatz gestalten wollen. Und dann kann man mit professionellen Ideen zurückkommen und sie diese Ideen gegen das ursprüngliche Konzept testen lassen. Schaut man sich die Arbeit von Studio Banana an, wird klar, dass man genauso vorgeht.

Wenn man die Co-Design-Prozesse optimal einsetzt, erhält man ein viel stärkeres Design, das sich mehr auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen konzentriert. Im Kontext der Arbeitsplatzumgebung gibt es große Probleme wegen schlechter psychischer Gesundheit am Arbeitsplatz, Abgrenzung und Unzufriedenheit mit der Standardarbeitsumgebung. In diesem Zusammenhang scheint es jetzt am relevantesten zu sein, den Designprozess tatsächlich zu modifizieren, um die Bedürfnisse der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen.

SB- Für uns bedeutet Co-Design auch, in aller Bescheidenheit anzuerkennen, dass die Betroffenen einen Einblick bekommen und die tiefliegenden Probleme kennen und die Symptome leicht identifizieren können. In einem Co-Design-Prozess nehmen wir Designer die Rolle des Moderators ein und helfen den betroffenen Personen, ihre Bedürfnisse (und Pain-Points) zu identifizieren.

Wir haben festgestellt, dass diese Prozesse stark zum Engagement der Mitarbeiter beitragen und, als nicht unwesentlicher Nebeneffekt, das Change Management entscheidend unterstützen. Durch Co-Design fangen sie an, die zukünftigen Nutzer auf die Veränderungen vorzubereiten, die sie durchlaufen werden. Wir betonen gegenüber unseren Kunden oft, dass eine Arbeitsplatztransformation traumatisch ist; sie bringt enorme Umwälzungen mit sich. Von heute auf morgen von einer Arbeitsplatzumgebung in eine andere umzuziehen, ist eine so disruptive Angelegenheit. Durch die Anwendung eines Co-Design-Prozesses fühlen sich die betroffenen Mitarbeiter jedoch aufgewertet und haben das Gefühl, dass sie Verantwortung für die Lösung tragen.

JM- Ich stimme dem vollkommen zu. Es scheint, dass einer der Haupt- und wichtigsten Aspekte des Co-Designs seine implizite Empathie oder sein Potential für Empathie ist: Co-Design ist kein wissenschaftlicher, rationaler oder wertneutraler Prozess. Vielmehr konzentriert es sich auf die individuellen oder faktischen Bedürfnisse. Es bindet die betroffenen Personen auf eine sehr respektvolle Weise ein. Darüber hinaus hilft der Prozess zu spezifizieren, wie der Einzelne in ein Team passt und, in einem größeren Maßstab, wie ein Team in eine Organisation passt.

Veränderungen am Arbeitsplatz sind traumatisch. Menschen werden gebeten, in einem neuen Umfeld, in einer neuen Umgebung und mit neuen Abläufen zu arbeiten. Und was passiert, wenn ein Unternehmen seine Mitarbeiter nicht richtig einbindet? Sie brauchen dann ein großes Engagement der Belegschaft am hinteren Ende, das oft unter dem Begriff „Change Management“ zusammengefasst wird. Wenn man aber am Anfang einen Co-Design-Prozess durchläuft, dann hat man am Ende etwas, das intuitiv nutzbar ist, und braucht das Change Management als solches nicht. Die Mitarbeiter eines Unternehmens bzw. die Teilnehmer eines Co-Design-Prozesses erkennen, dass Entscheidungen getroffen worden sind und sie nun auf die neue Umgebung reagieren müssen, aber bei diesem Ansatz sind sie eingeladen, diese Entscheidungen mitzugestalten. In finanzieller Hinsicht bedeutet dies in den meisten Fällen ganz klar, dass man durch eine kleine Investition in das Co-Design am Anfang, am Front-End, erhebliche Ausgaben für das Change Management am Back-End vermeiden kann.

Eines möchte ich jedoch noch ergänzen: Co-Design hat seine Grenzen. Es gibt einen Punkt, an dem das professionelle Design-Know-how die Führung übernehmen muss. Vor ein paar Jahren haben wir am Royal College of Art ein Forschungsprojekt mit einem Konsortium von Industriepartnern zum Thema Wohlbefinden und partizipatives Design geleitet. Wir entdeckten, dass zu viel Partizipation, zu viel Co-Design, für die Menschen leicht verunsichernd und beunruhigend ist. Sie wollen mitreden, sie wollen mitgestalten und sich engagieren, aber dann wollen sie auch relativ schnell sehen, dass die professionellen Designer diese Ideen in den Designvorschlag einfließen lassen und umsetzen.

SB- Bei unserer Arbeit mit der Co-Design-Methode stoßen wir auf der Managementebene oft auf anfängliches Zögern, [bis] die CEOs, die Teamleiter oder die Immobilienmanager entdecken, dass diese Methode tatsächlich zu nachhaltigeren Lösungen führt – nachhaltig in dem Sinne, dass die dadurch geschaffenen Arbeitsplatzumgebungen außergewöhnlich gut funktionieren. Idealerweise gelingt es uns, dieses Zögern gleich zu Beginn zu reduzieren oder ganz zu vermeiden.

JM- Das Problem liegt wahrscheinlich tiefer: Viele Unternehmen haben Angst vor Co-Design-Prozessen, weil sie darin ein Forum sehen, in dem sich Mitarbeiter über das Unternehmen und seine Arbeitsabläufe beschweren und kritisieren können. Wenn man bedenkt, dass Co-Design diesen Beigeschmack von etwas hat, dem man misstrauen muss, ist es entscheidend, den Co-Design-Prozess an sich sorgfältig zu gestalten. Außerdem muss man betonen, dass es beim Co-Design (nur) teilweise um die Analyse und viel mehr um die Synthese geht: Es geht darum, den Menschen zuzuhören, aber genauso darum, ein bestimmtes Layout und Design zu finden und es dann auch tatsächlich effizient umzusetzen.

Das vollständige Gespräch, in dem wir erörtern, wie man einen effektiven Co-Design-Prozess gestaltet, findest du im Kapitel Co-Design von „Think Work Out of the Box“.

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